Obligationenrecht (OR)

Oliver S.
04.08.2023, 12:53
4 min

Obligationenrecht - OR: Was versteht man darunter?

Obligationenrecht (OR)

Das schweizerische Obligationenrecht (OR): Definition

Im Obligationenrecht (OR), welches sich aus dem lateinischen Wort «obligare» für «verpflichten» ableitet, werden alle Regelungen und Verpflichtungen definiert, die sich auf Schuldverhältnisse beziehen. In Deutschland und Österreich wird das Gesetz daher auch als Schuldrecht bezeichnet. Die Begriffe Obligationen, Verpflichtungen und Schuldverhältnisse sind in diesem Kontext mehr oder weniger gleichbedeutend.

Grundlage des Obligationenrechts (OR)

Die Grundlage des Obligationenrechts bildet das Bundesgesetz betreffend die Ergänzung des Schweizerischen Zivilgesetzbuches (Fünfter Teil: Obligationenrecht) vom 30. März 1911 (Stand am 9. Februar 2023). Dieser fünfte Teil des Schweizerischen Zivilgesetzbuches (ZGB) ist im Umfang grösser als die anderen vier Teile zusammengenommen. Das Schweizer Gesellschaftsrecht leitet sich unmittelbar aus diesem Gesetz ab.

Allgemeiner und besonderer Teil

Das Obligationenrecht besteht aus zwei Bereichen – einem allgemeinen und einem besonderen Teil. In der ersten Abteilung geht es um allgemeine Bestimmungen zu allen Obligationen, in der zweiten Abteilung hingegen um besondere Arten von Vertragsverhältnissen wie dem Kauf, der Miete oder einem Darlehen. Es folgen Abteilungen über das Gesellschaftsrecht und das Wertpapierrecht.

Das Obligationenrecht in der Immobilienwirtschaft

Die meisten Obligationen entstehen aus einem Rechtsgeschäft, von denen der Vertrag wiederum die bedeutendste Form eines solchen darstellt. Zu den wichtigsten Bestimmungen des Obligationenrechts gehören die Artikel des 6. Titels im 2. Abschnitt des Gesetzes. Hier heisst es in Artikel 184:

Durch den Kaufvertrag verpflichten sich der Verkäufer, dem Käufer den Kaufgegenstand zu übergeben und ihm das Eigentum daran zu verschaffen, und der Käufer, dem Verkäufer den Kaufpreis zu bezahlen. Sofern nicht Vereinbarung oder Übung entgegenstehen, sind Verkäufer und Käufer verpflichtet, ihre Leistungen gleichzeitig – Zug um Zug – zu erfüllen. Der Preis ist genügend bestimmt, wenn er nach den Umständen bestimmbar ist.

Weiterhin werden in diesem Abschnitt Rechte und Pflichten der Vertragsparteien genauer bestimmt. Artikel 211 regelt zum Beispiel:

Der Käufer ist verpflichtet, den Preis nach den Bestimmungen des Vertrages zu bezahlen und die gekaufte Sache, sofern sie ihm von dem Verkäufer vertragsgemäss angeboten wird, anzunehmen. Die Empfangsnahme muss sofort geschehen, wenn nicht etwas anderes vereinbart oder üblich ist.

Bestimmungen aus dem Obligationenrecht bei Kaufverträgen, wie dem Kauf eines Grundstücks

Einige weitere Beispiele von Bestimmungen aus dem Obligationenrecht (OR), die sich auf den Kauf eines Grundstücks beziehen:

  • Kaufverträge, die ein Grundstück zum Gegenstande haben, bedürfen zu ihrer Gültigkeit der öffentlichen Beurkundung (Art. 216).
  • Vorkaufsrechte und Rückkaufsrechte dürfen für höchstens 25 Jahre, Kaufrechte für höchstens zehn Jahre vereinbart und im Grundbuch vorgemerkt werden (Art. 216a).
  • Der Verkäufer eines Grundstücks hat unter Vorbehalt anderweitiger Abrede dem Käufer Ersatz zu leisten, wenn das Grundstück nicht das Mass besitzt, das im Kaufvertrag angegeben ist (Art. 219).
  • Ist für die Übernahme des Grundstücks durch den Käufer ein bestimmter Zeitpunkt vertraglich festgestellt, so wird vermutet, dass Nutzen und Gefahr erst mit diesem Zeitpunkt auf den Käufer übergehen (Art. 220).
  • Auf einer Zwangsversteigerung gelangt der Kaufvertrag dadurch zum Abschluss, dass der Versteigerungsbeamte den Gegenstand zuschlägt (Art. 229).

Geschichte und Entstehung des schweizerischen Obligationenrechts (OR)

Das Schweizer Privatrecht war in den Zeiten des Ancien Régime besonders vielfältig und es gab keine einheitlichen Regelungen in Bezug auf Besitzverhältnisse, Kauf und Schuldverhältnisse.

Mit der Gründung des schweizerischen Bundesstaates im Jahre 1848 wuchs das Bedürfnis zur Schaffung eines einheitlichen eidgenössischen Handels- und Wechselrechts, um den Wirtschaftsverkehr in der neu gegründeten Schweiz in grossen Teilen zu vereinfachen.

Es dauerte noch bis zum Jahre 1883, bis das Gesetz endlich verabschiedet werden konnte – ein 20-jähriger Prozess, der heute als zivilrechtliche Bestrebung des Bundes einer erfolgreichen Vereinheitlichung gewertet wird. Bis heute erfährt das Gesetz immer wieder Anpassungen und Änderungen.

Quintessenz: Obligationenrecht
  • Das OR befasst sich mit Schuldverhältnissen. Grundlage ist der fünfte Teil des Schweizerischen Zivilgesetzbuches von 1911.

  • Es besteht aus einem allgemeinen und einem besonderen Teil. Thematisiert allgemeine Obligationen und besondere Vertragsverhältnisse.

  • Obligationen entstehen hauptsächlich aus Verträgen. Regelungen umfassen Pflichten und Rechte beim Grundstückskauf.

  • Bis 1883 fehlte eine einheitliche Regelung. Die Gründung des Bundesstaates 1848 förderte das Bedürfnis nach Vereinheitlichung.

Quellen

FAQ

Was ist das Obligationenrecht und was regelt es?

Bei dem Schweizer Obligationenrecht handelt es sich um das helvetische Schuldrecht. Hierin werden Schuldverhältnisse zwischen Personen oder Personen und Unternehmen geregelt. Das Obligationenrecht bildet demnach die Basis für jedweden Rechtsverkehr in der Schweiz. Im Obligationenrecht wird die Abwicklung von Geschäften, der Ersatz von Schäden und das Verfahren bei ungerechtfertigter Bereicherung geregelt.

Wie findet man die genauen Regelungen des Obligationenrecht?

Wenn Sie sich selbst ein Bild der einzelnen Artikel und Regelungen des Obligationenrechts (OR) machen wollen, bietet die Publikationsplattform des Bundesrechts den gesamten Gesetzestext zum Nachlesen.

Wo sind Schuldverhältnisse in der Schweiz gesetzlich geregelt?

Im Bundesgesetz betreffend die Ergänzung des Schweizerischen Zivilgesetzbuches (Fünfter Teil: Obligationenrecht) vom 30. März 1911 (Stand am 1. Januar 2022) sind alle Regelungen bezüglich von Schuldverhältnissen in der Schweiz geregelt. In Artikel 216 ist unter anderem der Grundstückkauf als Kaufvertrag über ein Grundstück geregelt, der zu seiner Gültigkeit einer öffentlichen Beurkundung bedarf.

Wo finde ich Regelungen zum Thema Grundstückkauf?

Die grundlegenden Regelungen über einen Grundstückkauf, der eine besondere Form des Kaufvertrages darstellt, finden Sie im Obligationenrecht. Dieses ist Teil des Bundesgesetz betreffend die Ergänzung des Schweizerischen Zivilgesetzbuches.

Was ist der Unterschied zwischen ZGB und OR?

In der Schweiz sind das ZGB (Zivilgesetzbuch) und das OR (Obligationenrecht) zwei wichtige Gesetzbücher, die das schweizerische Zivilrecht regeln. Jedes Gesetzbuch behandelt unterschiedliche Aspekte des Zivilrechts:

  • ZGB (Zivilgesetzbuch):
    Das Zivilgesetzbuch ist das umfassendere der beiden Gesetzbücher und behandelt eine Vielzahl von Rechtsbereichen, die das Zivilrecht betreffen. Es ist in fünf Bücher unterteilt: Personenrecht, Familienrecht, Erbrecht, Sachenrecht und Obligationenrecht (Allgemeiner Teil).
  • OR (Obligationenrecht):
    Das Obligationenrecht ist Teil des ZGB und enthält den allgemeinen Teil des schweizerischen Obligationenrechts. Es ist in fünf Bücher unterteilt: allgemeine Bestimmungen, Kaufvertrag und Werkvertrag, Mietvertrag, Auftrag und Verwahrung sowie Darlehensvertrag und Dienstvertrag.

Zusammenfassend ist das ZGB das grundlegende Gesetzbuch, das viele Bereiche des schweizerischen Zivilrechts abdeckt, während das OR einen spezifischen Teil des ZGB darstellt und sich auf das schweizerische Obligationenrecht konzentriert, insbesondere auf Verträge und Schuldverhältnisse.

Oliver S.
Oliver S. schreibt seit 15 Jahren über den Immobilienmarkt. Er ist auf Immobilien spezialisiert und betreibt seit 2012 einen professionellen Blog mit bislang über 1'000 Artikeln und etwa 1 Million Seitenaufrufen pro Jahr. Darüber hinaus hat er in den letzten Jahren 5 Bücher über Management und Führung veröffentlicht.